Im Kollektiv gegen Spekulation und Wohnungsnot

Es gibt verschiedene Wege, günstigen und attraktiven Wohnraum zu schaffen und zu erhalten. Deshalb baut die Stiftung Habitat nicht nur selber, sondern stellt auch Organisationen oder Gruppen mit ähnlichen Interessen und Zielen Bauland im Baurecht zur Verfügung. Wie sich dieses Modell in der Praxis bewährt, zeigt die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Basler Genossenschaft «Mietshäuser Syndikat», kurz MHS.

Es sind drei ziemlich unterschiedliche Wohnprojekte, welche die Stiftung Habitat aktuell mit dem Mietshäuser Syndikat Basel als Baurechtsnehmerin teilt. Sie befinden sich allesamt auf dem Entwicklungsareal Lysbüchel Süd im St. Johann Quartier. Zum Trio gehören das altehrwürdige Haus Elsässerstrasse 137, das Neubauprojekt Abakus sowie das fast fertiggestellte Mehrfamilienhaus mit dem schönen Namen «Stadtkind Basel». Hinter jeder dieser Liegenschaften versteckt sich eine ganz spezielle Entstehungsgeschichte, die typisch für die Arbeit des MHS ist.

 

Die Genossenschaft MHS gibt es seit 2014. Sie besitzt zur Zeit elf Liegenschaften; vier davon im Baurecht. Auf dem Markt tritt sie in vielen Fällen als Dachorganisation für autonome Wohnprojekte in Aktion. Meist schliessen sich kleinere Gruppierungen dem MHS an, um damit ihre Chancen zu verbessern, bei einem Hausverkauf oder einer Bauland-Ausschreibung berücksichtigt zu werden.

 

«Nicht alle müssen das Rad neu erfinden», stellt Ivo Balmer dazu nüchtern fest. Er ist Präsident und Mitgründer des MHS und kommt ursprünglich – nach eigenen Worten – aus der «aktivistischen Stadtförderung». Heute ist er einer der profiliertesten und aktivsten Förderer und Netzwerker des nicht profitorientierten Wohnungsbaus, des kollektiven Wohneigentums und der Selbstverwaltung. Balmer, 38, ist ausgebildeter Stadtgeograph, Soziologe, SP-Grossrat und arbeitet auf Mandatsbasis als Geschäftsführer für das Basler Mietshäuser Syndikat.

Der Spekulation den Boden entziehen

In dieser Funktion steht er auch in nahem Kontakt mit der Stiftung Habitat, mit der «man zahlreiche gemeinsame Grundwerte teilt». Zentral ist in jedem Fall, die Mietpreisspirale zu stoppen. Und das kann erreicht werden, indem ein Haus oder eine Bauparzelle beispielsweise durch kollektives Eigentum und Selbstverwaltung nachhaltig der Spekulation entzogen wird. «Die Baurechtsnahme ist dabei immer mindestens die zweitbeste Lösung», lacht Ivo Balmer. «Wir können hier zwar keine Reserven bilden, aber wir profitieren von sehr fairen Baurechtszinsen der Stiftung Habitat. Diese plafoniert beispielsweise den Zins, wenn der Landwert über 15 Prozent der Mieterträge steigt.»

Unterschiedliche Zugänge, gemeinsames Ziel

«Beim Projekt Abakus sind die potenziellen Bewohnerinnen und Bewohner auf uns zugegangen», erinnert sich Ivo Balmer. «Wir haben das Projekt geprüft, für gut befunden und sind gegenüber der Stiftung Habitat als Baurechtsnehmerin und Bauherrin eingestiegen». Die künftigen Bewohnenden übernahmen einfache Arbeiten wie die Baureinigung selbst, und bauten in einem Workshop über zwei Wochenenden ihre eigenen Küchen. Das hielt die Kosten tief, und es verdeutlicht den Partizipations-Gedanken des ganzen Projekts. Nach dem Einzug setzte sich die gemeinschaftliche Arbeit beispielsweise in der Gestaltung und Begrünung von Vorgarten, Innenhof und Dachterrasse fort. 

 

Etwas anders lief es beim «Stadtkind», dem lebhaften Familienhaus mit zehn Erwachsenen und ebenso vielen Kindern. Dessen Initianten bewarben sich autonom um eine Parzelle auf dem Areal und erhielten den Zuschlag. Erst im Verlauf der Entwicklung schlossen sich die «Stadtkinder» dem Mietshäuser-Syndikat an – aus gutem Grund und mit grossem Erfolg: «MHS begleitete und unterstützte unser Bauprojekt als Bauherrin und Baurechtsnehmerin und motivierte uns als Hausverein, uns für unsere Wohnziele proaktiv einzusetzen», beschreibt die Gemeinschaft den Prozess. «Unter dem Dach der Genossenschaft Mietshäuser Syndikat konnte unser Traum vom selbstverwalteten Wohnen Wirklichkeit werden».

Demgegenüber beginnt die jüngere Geschichte der Elsässerstrasse 137 mit einem losen Netzwerk junger Menschen, die zum Teil in vom Verkauf bedrohten Häusern lebten und den gemeinsamen Wunsch teilten, in einem selbstverwalteten Haus zu leben. Zufällig stiess die Gruppe auf eine Ausschreibung der Stiftung Habitat, welche diesen einzigen Bestandsbau im Rahmen des Projektes «Quartierentwicklung Lysbüchel Süd» zum Verkauf im Baurecht anbot. Bedingung in der Ausschreibung war ein mittelfristig gesicherter Verbleib der Menschen, die noch drin wohnten, und eine sinnvolle Nutzungsidee.

 

Für die Initiantinnen und Initianten war es keine Frage, die bisherige Mieterschaft in ihr Projekt mit einzubeziehen. Ebenso klar fiel der Entscheid, die Genossenschaft Mietshäuser Syndikat als Beraterin und Garantin beizuziehen. Nach einer Konzeptpräsentation im Vorstand und der Zusicherung desselben konnte schliesslich die Bewerbung erfolgen, die zur grossen Freude für alle zum Erfolg führte: Die Stiftung Habitat hiess das Projekt gut!

 

In der Folge fanden sich durch viele Gespräche insgesamt zehn Personen zusammen, die bereit waren, bei dem von der Kerngruppe definierten «gemeinsamen Wohnmodell» mitzumachen. Zu guter Letzt traten alle zukünftigen Bewohnenden im Kollektiv dem Mietshäuser Syndikat bei und brachten als neue Genossenschafter 20% des Eigenkapitals für den Kauf des Hauses zusammen.

Aller Anfang ist schwer. Bis zum Schluss.

Den langen Weg von der Idee zum bewohnten Haus zusammen zu gehen, ist bei allen Projekten für alle Parteien kein Spaziergang. Viele Faktoren müssen passen, damit das Resultat am Ende stimmt. «Kluge Architektur ist ein zentrales Element, damit es aufgeht», sagt Ivo Balmer. Ebenso die stimmige Zusammensetzung der autonomen Baugruppen. Balmer nennt sie launig «das Gleichgewicht des Schreckens».

 

Tatsächlich entscheiden bei MHS-Projekten ArchitektInnen, Mieterschaft sowie Genossenschaft als gemeinsame Bauherrschaften gemeinschaftlich über Wohnstandards, über das Wünsch- und Machbare, über Experimentiermöglichkeiten, hausgemeinsame Infrastrukturen, usw. Dabei sind die Spielregeln von Anfang an festgelegt. Als oberstes Prinzip gilt stets, einen gemeinsamen Konsens zu finden.

 

Ultimatives Ziel aber ist es letztlich, lebenswerten Wohnraum zu schaffen und günstige Mietzinsen zu ermöglichen. Das heisst, in konkreten Zahlen ausgedrückt: CHF 1250.– inkl. für eine neue 2.5-Zimmer-Wohnung oder – noch tiefer – CHF 850.– inkl. für eine ebenso grosse Altbauwohnung.

 

Diese attraktiven Konditionen sollen so lange wie nur möglich aufrechterhalten werden. Auch dann selbstverständlich, wenn die Eigentümerschaft werterhaltende Renovationen tätigen. Da macht es erst Recht Sinn, dass Käufer-, Mieter- und Eigentümerschaft im gleichen Boot sitzen – in ihrer Genossenschaft eben!

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